Schritt-für-Schritt-Anleitung zum expressiven Schreiben
1. Vorbereitung: Finde einen sicheren und ruhigen Ort
• Was du brauchst: Ein Notizbuch, ein Stift oder ein Laptop, auf dem du bequem
schreiben kannst.
• Wichtige Überlegung: Wähle einen ruhigen Ort, an dem du nicht gestört wirst, und
sorge dafür, dass du dich wohlfühlst. Setze dich entspannt hin, ohne Ablenkungen.
• Beispiel: Du könntest dich in einem stillen Raum oder in einem gemütlichen Winkel
deines Zuhauses niederlassen. Stelle sicher, dass du genug Zeit hast, um dich auf die
Übung zu konzentrieren (mindestens 15–20 Minuten).
2. Setze dir ein Ziel oder Thema
• Ziel: Der Fokus des Schreibens sollte klar sein, aber du lässt Raum für alle Gedanken
und Gefühle, die auftauchen.
• Mögliche Themen:
o Eine belastende Erinnerung oder ein Erlebnis, das du verarbeiten möchtest.
o Ein bestimmtes Gefühl (z. B. Wut, Traurigkeit, Angst).
o Ein ungelöster Konflikt oder ein ungelöstes Trauma.
o Fragen wie: „Was belastet mich gerade?“ oder „Was fühle ich heute?“
• Beispiel: Du könntest dich entscheiden, über eine schwierige Kindheitserinnerung zu
schreiben oder über das Gefühl von Stress und Überforderung, das du in deinem
Alltag spürst.
3. Beginne zu schreiben – ohne Zensur
• Wichtig: Schreibe alles auf, was dir in den Kopf kommt. Mach dir keine Sorgen über
Rechtschreibung, Grammatik oder Struktur. Du musst nicht perfekt schreiben. Es
geht darum, deine Gedanken und Gefühle frei zu äußern.
• Schreibzeit: Du solltest mindestens 15 bis 20 Minuten am Stück schreiben. Versuche,
nicht zu stoppen, selbst wenn du das Gefühl hast, dass dir nichts mehr einfällt. Wenn
du keine Worte findest, schreibe einfach, dass du keine Worte findest – es zählt jeder
Gedanke.
• Beispiel:
o Anfang: „Ich fühle mich gerade überfordert und gestresst, weil ich das Gefühl
habe, nicht genug zu leisten. Es ist, als würde alles auf mir lasten und ich weiß
nicht, wie ich damit umgehen soll…“
o Fortsetzung: „Ich erinnere mich, dass ich als Kind oft das Gefühl hatte, dass
ich nie gut genug war. Es war immer dieser Druck, Dinge perfekt zu machen,
und wenn ich versagt habe, war ich wütend auf mich selbst…“
4. Lass die Emotionen zu und lass sie raus
• Erlaube dir, deine Emotionen zu fühlen: Es ist wichtig, dass du dich nicht
zurückhältst, sondern wirklich ins Gefühl gehst. Lass zu, was immer kommt. Wenn du
Wut spürst, schreibe die Wut auf. Wenn du Traurigkeit spürst, lass die Traurigkeit
durch das Schreiben fließen.
• Beispiel:
o „Ich fühle mich so wütend über diese Ungerechtigkeit. Warum musste ich das
durchmachen? Es ist nicht fair! Ich habe das Gefühl, nie zur Ruhe zu
kommen…“
o Wenn du merkst, dass die Emotionen zu stark werden, nimm dir einen
Moment, um durchzuatmen. Du kannst auch kurz aufhören und eine Pause
machen, wenn du dich zu sehr überfordert fühlst.
5. Stoppe, wenn es zu viel wird
• Achtsamkeit: Wenn du das Gefühl hast, dass die Emotionen zu intensiv oder
überwältigend werden, hör sofort auf zu schreiben. Die Methode soll dir helfen,
deine Gefühle zu verarbeiten, ohne dass du dich überfordert fühlst.
• Anzeichen, dass du aufhören solltest:
o Du fühlst dich emotional überflutet oder hast Schwierigkeiten, klar zu denken.
o Dein Herzschlag wird schneller, du fängst an zu zittern oder deine Brust fühlt
sich eng an.
o Du hast das Gefühl, die Kontrolle über deine Emotionen zu verlieren.
• Was tun, wenn es zu viel wird: Mache eine kurze Pause, atme tief durch, und
beruhige dich. Es ist auch hilfreich, den Stift niederzulegen und einen Moment in
Stille zu verbringen. Achte darauf, dich nach der Übung zu entspannen und zu
stabilisieren.
6. Schreibe weiter, wenn du dich stabil fühlst
• Die Methode funktioniert, wenn du weiter schreibst, selbst wenn es unangenehm
wird. Du wirst oft feststellen, dass je mehr du schreibst, desto tiefer du in deine
Emotionen und Gedanken eintauchst, was eine befreiende Wirkung haben kann.
• Beispiel: Wenn du das Gefühl hast, dass es keinen Ausweg gibt, oder wenn du keine
weiteren Gedanken hast, schreibe einfach „Ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll“
oder „Es fällt mir schwer, weiterzuschreiben, aber ich versuche es trotzdem…“
7. Stoppe nach der festgelegten Zeit
• Zeitlimit: Wenn du dein Zeitlimit von 15–20 Minuten erreicht hast, höre auf zu
schreiben, auch wenn du nicht das Gefühl hast, alles gesagt zu haben. Es ist wichtig,
sich nicht zu überfordern.
• Tipp: Du kannst jederzeit eine Pause machen, um zu atmen, aber versuche, den
Prozess zu beenden, ohne den Text zu analysieren oder zu überdenken.
• Beispiel: Wenn du das Gefühl hast, dass du genug geschrieben hast, auch wenn du
noch nicht alles verarbeitet hast, dann beende das Schreiben. Du kannst zu einem
späteren Zeitpunkt weiterarbeiten.
8. Reflektiere über das Geschriebene
• Lesen und Nachdenken: Du kannst das Geschriebene nun noch einmal lesen, aber es
ist wichtig, dass du dich nicht zu sehr darauf fokussierst, sondern eher versuchst, wie
du dich fühlst, nachdem du es aufgeschrieben hast.
• Was du beobachten kannst:
o Hat sich deine Stimmung verändert? Fühlst du dich nach dem Schreiben
anders?
o Gibt es bestimmte Themen oder Emotionen, die du wiederholt siehst?
o Hast du neue Einsichten gewonnen oder bist du noch immer überwältigt von
den Gefühlen?
• Beispiel: Nach dem Lesen könntest du feststellen, dass sich die Wut etwas gelöst hat
oder dass du mehr Klarheit über das Gefühl der Überforderung hast.
9. Abschluss der Übung
• Beruhigen: Nimm dir einen Moment, um dich zu beruhigen. Atme tief ein und aus.
Du kannst auch ein kleines Ritual machen, wie einen Tee trinken oder einen kurzen
Spaziergang machen.
• Selbstfürsorge: Wenn du nach der Übung immer noch emotional aufgewühlt bist, ist
es wichtig, dich um dich selbst zu kümmern. Gönn dir etwas Gutes, wie ein
entspannendes Bad oder ein Gespräch mit einer vertrauten Person.
Warum wirkt expressives Schreiben so gut?
Expressives Schreiben hat sich als eine äußerst effektive Methode zur Bewältigung von
emotionalem Stress, Ängsten und traumatischen Erlebnissen erwiesen. Zahlreiche
wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass diese Technik auf mehreren Ebenen positive
Auswirkungen auf unsere psychische und körperliche Gesundheit hat.
1. Stressabbau und verbesserte Gesundheit: Studien haben gezeigt, dass expressives
Schreiben den Stressabbau fördert und das Immunsystem stärkt. In einer bekannten
Studie von James Pennebaker, der das expressive Schreiben maßgeblich entwickelte,
fanden Forscher heraus, dass Menschen, die über stressige oder traumatische
Erlebnisse schrieben, weniger gesundheitliche Beschwerden hatten, weniger
Arztbesuche machten und sich insgesamt besser fühlten. Pennebaker fand heraus,
dass das Schreiben über schwierige Erfahrungen zu weniger psychischen
Belastungen führt und den Körper unterstützt, sich zu erholen.
2. Emotionale Verarbeitung und Erleichterung: Expressives Schreiben hilft dabei,
emotionale Spannungen zu lösen. Das Aufschreiben von Gefühlen und Gedanken
ermöglicht es uns, unsere Emotionen auf eine strukturierte Weise auszudrücken und
zu verarbeiten. Dies führt zu einer besseren emotionalen Regulierung. Wenn du
deine Gefühle schriftlich ausdrückst, beginnst du, Klarheit zu gewinnen und einen
inneren Dialog zu führen, der zu einer tieferen Selbstakzeptanz und Erleichterung
führen kann.
3. Kognitive Umstrukturierung: Ein wichtiger Aspekt des expressiven Schreibens ist die
Möglichkeit, kognitive Umstrukturierung zu betreiben. Dies bedeutet, dass du durch
das Schreiben differenzierte Perspektiven entwickelst. Du beginnst, die Ereignisse
und Emotionen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, was helfen kann,
festgefahrene Denkmuster zu durchbrechen. Studien zeigen, dass Menschen, die
expressiv schreiben, oft eine positivere Einstellung zu belastenden Erfahrungen
entwickeln, was ihre Resilienz gegenüber Stress und Trauma stärkt.
4. Wissenschaftliche Belege: Eine Studie von Pennebaker und Beall (1986) zeigte, dass
Teilnehmer, die vier Tage lang jeweils 15–20 Minuten über belastende Ereignisse
schrieben, signifikante Verbesserungen in ihrer psychischen Gesundheit und
körperlichen Verfassung verzeichneten. Weitere Studien, wie die von Smyth (1998),
bestätigten diese Ergebnisse und fanden heraus, dass expressives Schreiben auch mit
einer reduzierten Belastung durch Ängste und Depressionen verbunden war.
5. Emotionale Resilienz und Wohlbefinden: Expressives Schreiben hilft, sich mit den
eigenen Emotionen auseinanderzusetzen, anstatt sie zu unterdrücken. Dies führt zu
einer besseren emotionalen Resilienz und einem gesteigerten Wohlbefinden. Durch
das Schreiben über stressige Ereignisse lernen wir, diese zu verarbeiten und dadurch
das Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen. Auf lange Sicht fördert dies eine
gesündere psychische Verfassung.
Zusammenfassung:
Das expressive Schreiben ist eine sehr wirksame Methode, um innere Konflikte zu
bearbeiten, emotionale Spannungen zu lösen und das psychische Wohlbefinden zu steigern.
Es bietet einen sicheren Raum, um über belastende Erfahrungen zu sprechen, ohne sie
tatsächlich auszusprechen